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Kritik an rudimentären, schöngerechneten, rechtlich nicht geprüften Staatsfondsmodellen

Berlin, 21.11.2019

„Die aktuelle Diskussion über die Zentralisierung der kapitalgedeckten Altersvorsorge mittels quasiobligatorischer Staatsfonds sehen wir mit großer Sorge. Was als schöne neue Vorsorgewelt dargestellt wird, ist nicht zu Ende gedacht. Kosten rechnet man schön, weil der gesamte administrative Aufwand auf die Arbeitgeber verlagert wird und die Kosten der Auszahlungsphase negiert werden. Verbreitungserfolge stellt man in Aussicht ohne die kannibalisierende Wirkung solcher Modelle zu berücksichtigen“, erklärte der Vorsitzende der aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V., Dr. Georg Thurnes, am Rande einer aba-Vorstandssitzung in Stuttgart.

Verbraucher sollen über ihren Arbeitgeber automatisch in ein staatlich organisiertes Standardvorsorgeprodukt einzahlen, so der Plan. Sie können aus dem Modell rausoptieren und den Betrag, der abgeführt wird, jederzeit ändern. Wer behauptet, dass ein solches Modell verwaltungsarm ist, der verkennt die Realität. Die Arbeitgeber tragen den administrativen Aufwand, sie werden neue Dokumentationspflichten treffen, die sicher im Rahmen von Betriebsprüfungen kontrolliert werden. Hat der Arbeitnehmer Fragen zum System, wird der Arbeitgeber die erste Anlaufstelle sein. Man sollte mal überschlägig ermitteln, welche Gesamtkosten hier auf die Arbeitgeber zukommen. Nur als Indiz: Aus dem Bereich der Sozialversicherung wissen wir, dass die Deutsche Rentenversicherung jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag an die Krankenkassen zahlt, die für sie über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags das Inkasso durchführen.

„Die angeblich niedrigen Verwaltungskosten eines staatlich organisierten Standardvorsorgeprodukts sind zudem kein Alleinstellungsmerkmal. Gerade betriebliche Versorgungseinrichtungen sind extrem kostengünstig“, so Thurnes. Betriebliche Versorgungswerke genießen zudem eine hohe Wertschätzung bei den Arbeitnehmern, da Betriebs- und Tarifpartner passgenaue Systeme entwickeln können. „Es kann doch nicht im Interesse der Politik sein Arbeitgeber und Gewerkschaften diesen Gestaltungshebel aus der Hand zu nehmen“, erläuterte Thurnes. Doch genau das geschehe, wenn Arbeitnehmer, die zwangsweise in den Staatsfonds einbezogen würden mangels ausreichender Sparfähigkeit aus der betrieblichen Altersversorgung aussteigen würden.

Auch rechtlich bestehen Bedenken. Kommt es zu unzulässigen Verzerrungen des Wettbewerbs? Die Organisation soll über einen öffentlich-rechtlichen Träger erfolgen, stellt das wirklich einen sicheren Zugriffsschutz und Schutz vor Einflussnahme dar? Ist durch die Konstruktion nicht Staatshaftung für den Fall vorprogrammiert, dass einmal Probleme auftauchen?

„Einige der diskutierten Staatsfondsmodelle sollen keine Garantien enthalten. Das ist sinnvoll, aber – wie die Erfahrungen mit den Sozialpartnermodellen zeigen – Arbeitnehmern nur schwer kommunizierbar. Und das, obwohl bei der reinen Beitragszusage in der bAV ausgeklügelte Pufferkonstruktionen und der kollektive Ansatz Sicherheit schaffen. Die diskutierten Staatsfondsmodelle setzen vor allem auf den Aktienmarkt, die Risiken tragen allein die Sparer, was sie aller Erfahrung nach gerade nicht wollen. Das macht aber nichts, als Zwangssparmodell mit der Möglichkeit des Opting-out braucht man ja keine Überzeugungsarbeit zu leisten. Der Ärger kommt aber dann beim ersten Kursabsturz,“ erläutert Thurnes.

„Mich überzeugt dieses Modell nicht,“ so das Fazit, das Thurnes zieht. „Vor allem sollte man erst darüber entscheiden, wenn wirklich alle Rahmenbedingungen, vor allem die Ausgestaltung der Leistungsbezugsphase und die tatsächlich anfallenden Kosten und rechtlichen Fragen geklärt sind.