normal keine LG

EU erklärt: »Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit«

28.06.2019

Das „Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit“ ist in Artikel 20 des EU-Vertrags bzw. in den Artikeln 326 bis 334 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geregelt. Es schafft für kleine Gruppen von mindestens neun Mitgliedstaaten die Möglichkeit, zu bestimmten Fragen einvernehmlich Regelungen einzuführen, ohne dass die anderen EU-Mitgliedstaaten diese übernehmen müssen.

Es kann grundsätzlich in allen Bereichen angewendet werden, in denen Zuständigkeiten der EU bestehen, ausgenommen im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit der EU, wie zum Beispiel für Zölle, die Handelspolitik oder die Währungspolitik.

Es eignet sich besonders für Regelungsfragen, für die im Rat Einstimmigkeit für die Verabschiedung von Gesetzgebungsakten erforderlich ist. Dazu zählt das Steuerrecht, für das Art. 113 ff. AEUV ein besonderes Gesetzgebungsverfahren vorsieht (einstimmiger Beschluss des Rats nach Anhörung des EU-Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses). Art. 20 Abs. 2 EU-Vertrag stuft das Verfahren als „letztes Mittel“ in Fällen ein, in denen die „angestrebten Ziele von der Union in ihrer Gesamtheit nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums verwirklicht werden können“. Der Beschluss dazu muss einstimmig vom Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments erteilt werden.

EU-Staaten können also durch eine Veto-Position einerseits EU-weite Regulierungen blockieren, andererseits anderen Staaten durch ihre Zustimmung zum Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit die Möglichkeit eröffnen, ihre politischen Ziele weiterzuverfolgen. Das Verfahren kam seit der letzten Revision im Rahmen des Lissabonner Vertrags von 2007 nur selten zur Anwendung, unter anderem in den Bereichen Scheidungsrecht und Patente.

Im Jahr 2013 wurde es für den Bereich der Finanztransaktionssteuer genehmigt. An den Beratungen nehmen zwar alle Mitgliedstaaten teil. Für die Annahme der Richtlinie über die Einführung der Finanztransaktionssteuer bedarf es aber lediglich der einstimmigen Zustimmung der teilnehmenden Mitgliedstaaten im Rat nach Konsultation des Europäischen Parlaments.